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Kündigung während Arbeitsunfähigkeit

Aktualisiert: 4. Nov. 2021

Ein kleiner Tipp, weil diese Vorschrift gerne übersehen wird. Unterstellen wir, ein Arbeitsverhältnis wird während einer Arbeitsunfähigkeit ohne Angabe von Gründen gekündigt, eine Konstellation, die es gerade in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses durchaus häufig gibt. Unterstellen wir weiter, dass diese Kündigung wirksam ist.





Man könnte nun annehmen, dass die Pflicht des Arbeitgebers, Entgeltfortzahlung – also die geschuldete Vergütung während der Arbeitsunfähigkeit - an den Beschäftigten zu zahlen mit Ablauf der Kündigungsfrist endet. Das kann, muss aber nicht sein.

Hier greift § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFz) ein, der wie folgt lautet:

  1. Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grunde kündigt, der den Arbeitnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt.

  2. Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 3 Abs. 1 bezeichneten Zeit nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, ohne daß es einer Kündigung bedarf, oder infolge einer Kündigung aus anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Gründen, so endet der Anspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Was kompliziert klingt sagt letztlich, dass der Arbeitgeber über das Ende der Kündigungsfrist hinaus bis zum Ablauf von sechs Wochen Entgeltfortzahlung zahlen muss, wenn die Arbeitsunfähigkeit „Anlaß“ für die Kündigung war. Er muss also bezahlen, obwohl das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. „Anlaß“ darf aber nicht mit „Grund“ verwechselt werden, d.h. es reicht aus, wenn die Arbeitsunfähigkeit die Entscheidung des Arbeitgebers, die Kündigung auszusprechen, wesentlich mitbestimmt hat. Relativ deutliches Indiz dafür ist der Ausspruch einer Kündigung während einer laufenden Arbeitsunfähigkeit oder positive Kenntnis des Arbeitgebers von einem unmittelbar bevorstehenden krankheitsbedingten Ausfall (geplante Operation).

Vor kurzem haben wir zum Beispiel für eine Mandantin diesen Anspruch durchsetzen können, weil die Vertreterin des Arbeitgebers im Gerichtstermin unvorsichtigerweise erklärte, wegen der aus ihrer Sicht schweren Verletzung der Mandantin sei sie davon ausgegangen, dass die Mandantin über einen längeren Zeitraum nicht einsetzbar sein würde. DAS reicht für besagten „Anlaß“.

Sofern dem Arbeitgeber aber der Nachweis gelingt, dass die Kündigung auf andere Gründe gestützt wird, etwa eine notorische Unzuverlässigkeit des Beschäftigten, dann kann er der für ihn gefährlichen Vermutung, es bestehe ein „Anlaß“ i.S.d. § 8 EFzG entgehen. Ist alles eine Frage der Darstellung.

Zu guter Letzt sei noch einem beliebten Märchen der Saft abgedreht: Selbstverständlich kann der Arbeitgeber während einer laufenden Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten kündigen. Offensichtlich geistert immer noch die Annahme durch das kollektive Bewusstsein, während einer „Krankheit“ sei man vor Kündigungen des Arbeitgebers geschützt. Das ist totaler Humbug. Auf einem völlig anderen Blatt steht, ob die krankheitsbedingten Ausfälle des Beschäftigten eine solche Kündigung rechtfertigen können, aber das ist ein anderes Thema.


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